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Aus dem Lektorat Literatur Übersetzung

Wie kommen eigentlich Übersetzungen zu Verlagen?

Etwa 15 % aller Erstausgaben auf dem deutschen Buchmarkt waren im Jahr 2023 Übersetzungen. Jede vierte Neuerscheinung in der Belletristik stammt aus dem Ausland. Dabei haben noch immer die großen Sprachen Englisch und Französisch die Nase vorn, dazu kommt Japanisch.*

Doch bevor ein fremdsprachiges Werk deutsche Leser*innen erreichen kann, durchläuft es einen langen Prozess, der weitgehend für alle, die das Buch am Ende lesen werden, unsichtbar bleibt. Die Wege zur Übersetzung sind dabei so vielfältig wie der Buchmarkt selbst – von klassischen Agenturgeschäften bis zu direkten Kontakten zwischen Autor*innen und Verlagen.

*https://www.boersenverein.de/markt-daten/marktforschung/wirtschaftszahlen/buchproduktion/

Der traditionelle Weg über Agenturen als Vermittler

Wer im deutschen Buchmarkt beruflich zu Hause ist, kennt diese besonderen Tage auf der Frankfurter Buchmesse: Am Mittwoch und Donnerstag herrscht reges Kommen und Gehen. Bevor die Messe ab Freitag für alle Besucher*innen öffnet, werden hier Geschäfte gemacht: Agent*innen, Scouts, Lektor*innen treffen zusammen und pitchen Titel, kaufen Rechte und verhandeln über Lizenzausgaben. 

Vor allem die Scouts behalten die internationalen Märkte das ganze Jahr über im Blick und wissen genau, welche Originaltexte das Potenzial für eine Übersetzung mitbringen. Und natürlich tragen sie diese nicht nur zur Messezeit an die Verlage heran, sondern in allen Monaten des Jahres.

Dieses Modell hat allerdings einen Preis: Bis zu 20 % Provision werden von den einkaufenden Verlagen verlangt, dazu kommen noch die Lizenzgebühren und die Honorare für Autorinnen – und da haben wir noch nicht einmal eine fertige Übersetzung. Natürlich hat dieses Modell auch Vorteile: Man kennt sich, die Vertragsverhandlungen sind hoch professionalisiert und die zeitlichen Abstände zwischen Originalwerk und Übersetzung werden immer kürzer.

Direkte Kontakte sparen Geld, kosten aber Zeit und Nerven

Alternativ entwickeln sich Übersetzungsprojekte gelegentlich aus persönlichen Gesprächen und neuen Kontakten. Bei Branchentreffen, auf der Messe, am Rande von Lesungen finden so vor allem kleinere Verlage mit Übersetzer*innen, ausländischen Publishern oder Länderplattformen zusammen und besprechen künftige Kooperationen.

Gerade in den kleinen Sprachen sind Übersetzungen sehr risikobehaftet für die deutschen Verleger*innen. Die Namen der Autor*innen sind häufig bei den deutschen Leser*innen noch nicht etabliert, die Kulturen fremd und wenig zugänglich. Ohne finanzielle Förderungen geht hier häufig nichts, zum Beispiel mit festen Beträgen für die Übersetzungsleistung an sich oder der Vermittlung von Kontakten zur Festivals und Literaturhäusern oder der Übernahme von Reisekosten für ausländische Autor*innen für Lesereisen. Dafür lassen sich die Konditionen für eine Übersetzung mit den ausländischen Verlagen leichter auszuhandeln auf dem direkten Weg.

Übersetzer*innen kommt bei der direkten Vermittlung von Titeln eine besondere Rolle zu, denn sie sind diejenigen, die Literatur aus dem Ausland an Verleger*innen empfehlen. Findet ein Titel Interesse, dann schreiben sie zum Beispiel zunächst ein Manuskriptgutachten, sodass klar ist, worum es geht und welche USP (Unique Selling Points – also Verkaufsargumente) ein Titel mitbringt. Passt das alles, geht es in die nächste Phase. 

Vertragsverhandlungen: Ein bisschen wie Diplomatie, ganz viele Pitchdecks

Unabhängig davon, wie der Kontakt zustande kam – im nächsten Schritt geht es weiter mit Vertragsverhandlungen. Mit viel Glück verhandelt ein deutscher Verlag als einziger Bieter mit einem ausländischen. Häufig, und gerade bei sehr erfolgsversprechenden Titeln, starten jetzt die Pitches. Dabei präsentieren die bietenden Verlage anschaulich, zu welchen Konditionen sie den Titel einkaufen möchten. 

Ein Pitch beinhaltet unter anderem:

  • ein Angebot für die Lizenzgebühr
  • Konditionen für die Autor*innen
  • eine voraussichtliche Verkaufsauflage
  • oft auch den Namen/die Namen von Übersetzer*innen, die für den Titel vorgesehen sind
  • Marketingstrategien und Angaben, wie der Titel im Programm platziert werden soll
  • Erscheinungsdatum

Bis ein Pitch steht oder ein Verlag ein Angebot abgeben kann, braucht es eine intensive Vorbereitung. Marktchancen werden eingeschätzt, Kalkulationen durchgeführt und erste Verhandlungen auch mit Übersetzer*innen geführt. Neben den Zahlungen an die ausländischen Verlage und Autor*innen müssen auch Übersetzungskosten, Kosten für Lektorat, Korrektorat und Herstellung natürlich ein Marketingbudget berücksichtigt werden. Diese Verhandlungen können unter Umständen sehr lange dauern, in manchen Fällen ziehen sie sich über Monate hinweg. 

Glücklich also, wer im direkten Kontakt und ohne Konkurrenz um einen Titel feilschen kann. Hier geht es entspannter zu: ein paar E-Mails und persönliche Gespräche führen häufig zum Ziel. Aber auch hier gibt es viel zu tun, denn ein Vertrag ist lang und muss in vielen Punkten einzeln diskutiert und vereinbart werden. 

Digitale Wege eröffnen neue Chancen

Der Weg eines Titels zu einer deutschen Übersetzung ist also komplex und vielschichtig. Und er wird sich in Zukunft weiter verändern, denn immer häufiger entdecken Lektor*innen Titel direkt. Und auch Selfpublishing wird interessanter. Nicht wenige englischsprachige Indie-Autor*innen sind an Übersetzungen interessiert und lassen sich nicht durch Agenturen vertreten – sie wollen selbst entscheiden. 

Aber egal, auf welchem Weg ein Vertrag zustande kommt: Im nächsten Schritt kommt es auf die Übersetzer*innen an, die Brücken bauen für Leser*innen und ihnen fremdsprachige Titel nahebringen. 

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Literatur Menschen und Bücher

„Gemeinsam sind wir stark, das ist die Idee.“ Verleger Jens Korch im Interview

 

Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Netzwerk für Indieverlage aufzubauen? Welche Herausforderungen sind dir dabei begegnet?

Im März 2020 wurde die Leipziger Buchmesse in der Corona-Pandemie abgesagt – wenige Tage vor Beginn. Viele Verlage hatten sich monatelang auf dieses wichtige Ereignis vorbereitet. Und standen plötzlich vor dem Nichts.

Über eine sehr aktive Facebook-Gruppe für unabhängige Verlegerinnen und Verleger habe ich einen Aufruf gestartet: Lasst uns gemeinsam ein kleines Buchmagazin machen, dort stellen wir alle Titel vor, die wir in Leipzig präsentiert hätten! Und schicken das an alle Buchhandlungen, an Blogs, an die Presse, an Leserinnen und Leser … Ich hatte mit 10 Verlagen gerechnet – am Ende waren wir 50. Die erste Ausgabe „Schöne Bücher“-Magazins war geboren.

Mittlerweile sind wir bei der siebenten Ausgabe, jetzt mit 100 Verlagen. Gemeinsam sind wir stark, das ist die Idee dahinter. Das Netzwerk hat sich seitdem entwickelt, über die Verlage kommen viele Ideen, die wir mit so viel Manpower gemeinsam stemmen können. Herausforderungen gibt es viele, aber das lässt sich im Gespräch stets lösen. Das Leben als Verlegerin oder Verleger ist ja an sich aktuell schon mehr Herausforderung denn je. Da soll die Netzwerkarbeit Lösungen und Ideen bieten, wie sich etwas erleichtern lässt.

2021 gewann Laura Vinogradova für ihr Debüt den Europäischen Literaturpreis. Jetzt ist der Roman auf Deutsch erscheinen, in einer Übersetzung von Britta Ringer
Gerade gibt es viele Diskussionen um die Stellung von kleinen Verlagen in der deutschen Literaturlandschaft. Sinkende Sichtbarkeit, ein Buchhandel, der sich wenig mit den Programmen befasst, erdrückende Monopolisierung – und zuletzt auch Kritik an der Verteilung von Preisgeldern. Wie siehst du die Zukunft der Verlagslandschaft?

Tatsächlich ist es momentan keine leichte Zeit. Aus den vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen höre ich das täglich heraus. Neulich hörte ich den Satz: „Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass ein Buch ‚nice to have‘ ist für die Leute, aber kein ‚must have‘.” Das klingt erstmal hart, aber ich denke, das stimmt. Wenn irgendwo gespart werden muss beim Konsum, dann fallen leider Bücher oft hintenrunter.

Und das merken die Verlage aktuell immer wieder. Das schnelle „Ich schau mal beim Buchladen rein und nehme mir mit, was mich da so anspringt.“ ist derzeit quasi nicht vorhanden. Stattdessen wird gezielt nach Titeln der „Bestsellerlisten“ gefragt. Was aber kaum jemand sieht: Dort sind oft die großen Konzerne zu finden, die Bücher mit ganz andere Möglichkeiten – personell, finanziell – bewerben können. Und die Indies? Gehen mit ihren Perlen im Sortiment leider oft unter, weil niemand davon weiß.

Ob es in einem Jahr weniger kleine Verlage als jetzt gibt? Oder gar in fünf, zehn? Ich weiß es nicht, befürchte aber: Ja. Das Sterben passiert nicht mit einem großen Knall und Abschiedsschmerz. Sondern die sind dann eben einfach nicht mehr da.

„Was im Feuilleton besprochen wird, wird gekauft“, heißt es oft. Welche Wege geht das Schöne-Bücher-Netzwerk, um die Bücher der Mitgliedsverlage an die Leserinnen und Leser zu bekommen?

Tatsächlich ist aus meiner Sicht und nach vielen, vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen da gar nichts mehr dran. „Wir hatten eine halbe Seite Buchbesprechung in der FAZ – und danach wurde nicht messbar mehr verkauft“: Sowas höre ich immer wieder. Zuletzt sogar nach großen Beiträgen in TV-Boulevardmagazinen, dabei galt das ja immer als Königsklasse der Buchbewerbung.

Mit dem Netzwerk versuchen wir uns breit aufzustellen. Es gibt unser gemeinsames Verlagsmagazin – ein Mix aus gemeinsamer Vorschau, Katalog, Magazin. Dazu gibt es jede Woche einen Newsletter für Buchfans und den Handel mit nette, bunten Geschichten aus den Verlagen oder über Autorinnen und Autoren. Wir teilen uns auch mal gemeinsam die Kosten für eine Anzeige in einem Fachmagazin – da kann jeder Verlag richtig was sparen, das hilft auch.

Zu den Buchmesse sind wir gemeinsam präsent. Erstmals im Herbst 2023 mit einem Schöne-Bücher-Stand auf der Frankfurter Buchmesse. In Leipzig hatten wir im Frühjahr 2023 eine gemeinsame Sticker-Sammel-Aktion, bei der mehr als 100.000 Aufkleber mit Buchvorstellungen verteilt worden. Das hat uns großes Feedback eingebracht und den Verlagen ganz neue Interessenten.

Gibt es eine besondere Erfolgsgeschichte aus dem Schöne-Bücher-Netzwerk, die dich besonders berührt hat und die du teilen möchtest?

Keine Einzelgeschichte, aber vielleicht kann ich so viel sagen: Ich freue mich total, wenn die Verlegerinnen und Verleger mit Ideen und eigenen Aktionen auf mich zukommen. Dann merke ich: Sie haben den Netzwerkgedanken verstanden und wissen, dass sie so mehr Aufmerksamkeit bekommen können, als wenn sie allein etwas tun. Gerade zum Beispiel gibt es Fotos von Verlegerinnen und Verlegern im Urlaub – natürlich immer in einer tollen Buchhandlung am Urlaubsort.

Klar ist die Arbeit immer zusätzlicher Aufwand und die eigene Verlagsarbeit bleibt immer oberste Priorität. Aber sind wir vielen kleinen Verlage, wenn wir es geschickt anstellen, nicht auch zusammen eine große Einheit? Na klar! Da ist noch viel Potenzial.

So schön sehen sie in der Wanne aus: Die wasserfesten Wannenbücher von Verleger Jens Korch
Indieverlage haben oft eine besondere Beziehung zu ihren Autor:innen und deine Edition Wannenbuch hat obendrauf noch einmal ein ganz besonderes Format. Wie pflegst du diese Beziehungen und wie kommen neue Autor:innen zu dir?

Ich merke, dass die Autorinnen und Autoren den direkten Kontakt zum Verlag schätzen – das ist bei großen Konzernverlagen gewiss in der Form nicht möglich wie bei uns. Ich kenne alle persönlich, wir treffen uns auf Messen wieder oder bei Lesungen – und da sind schon  richtig nette Freundschaften entstanden.

Auch neue Autorinnen und Autoren finde ich über Messen, meist kommt man dort am Stand ins Gespräch. Sie entdecken dann die Idee der wasserfesten Bücher der Edition Wannenbuch und fragen, ob sie sowas selbst nicht auch ausprobieren können. Das macht Spaß und ich könnte, gemessen an den eingesendeten Manuskripte, ein Vielfaches von dem veröffentlichen, was ich tatsächlich machen kann.

Wer sind deine Leser*innen?

Es sind vor allem – geschätzt 90 Prozent – Leserinnen. Leser tatsächlich weniger. Männer finden die Idee der Wannenbücher super, aber kaufen sie dann als Geschenk für eine Frau. Frauen selbst kaufen Wannenbücher für sich, als kleine Auszeit, als nette Idee für ein schönes Bad.

In deinem Imprint Paperento ist am 01. September 2023 eine erste Übersetzung aus dem Lettischen erschienen. Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, Bücher aus verschiedenen kulturellen Hintergründen und Ländern für deutsche Leser:innen zugänglich zu machen?

Superwichtig! Für mich ist es ein Pilotprojekt, aber schon bei der Recherche ist mir aufgefallen, was es da an vielen tollen Büchern gibt, die es absolut wert sind, auch von deutschen Lesern entdeckt zu werden.

Übersetzungen sind für den Verlag mit deutlich höherem Aufwand verbunden – die Übersetzung kostet Geld, es muss mit Autorinnen und Autoren und Verlagen im Ausland über die Konditionen gesprochen werden. Lesungen mit den Autorinnen und Autoren aus einem fremden Land hierzulande zu organisieren – ganz wichtig für die Buchbewerbung – ist ungleich aufwendiger. Es lohnt sich für Verleger, zu schauen, ob es Möglichkeiten an Unterstützung gibt – etwa über Förderprogramm für Verlage und/oder Übersetzerinnen und Übersetzer.

Bei uns erscheint im Herbst „Wie ich lernte, den Fluss zu lieben“ von Laura Vinogradova, ein toller, ein wenig melancholischer, sprachgewaltiger Roman über eine Frau auf der Suche nach sich selbst. Das Buch (im Original: „Upe“) hat 2021 den Europäischen Literaturpreis gewonnen, und das gewiss nicht ohne Grund.

Können wir auch in Zukunft Übersetzungen aus anderen Sprachen bei dir finden? Vielleicht sogar beim Wannenbuch?

Warum nicht? Mal schauen, wie der erste Versuch so ankommt bei den Leserinnen und Lesern. Letztlich muss auch ein Buch gut kalkuliert sein, sonst ist der Verlag am Ende nur ein teures Hobby – und das bringt es ja auch nicht.

Welche drei Bücher empfiehlst du als Herbstlektüre in diesem Jahr?

Nicht drei, sondern zehn! Genau so viele Titel nämlich erscheinen im Herbst 2023 in der Schöne-Bücher-Bibliothek. Auch das ist ein Versuch des Netzwerkes, gemeinsam nach neuen Werken zu suchen. Wir haben ein Jahr lang daran gearbeitet, haben zum Auftakt dieser Edition der unabhängigen Verlage zehn Autorinnen und Autoren am Start.

Die Genres sind querbeet: vom preisgekrönten Roman über Spannung aus dem Mittelalter, Einblicke hinter die Kulissen der Bühne oder Reisegeschichten bis zum Drama auf dem Mars. Die Reihe ist kuratiert von den Verlagen, die ihre besten Titel in die Schale geworfen haben – und die wir mit einem gemeinsamen Design nun zusammen bewerben.

Alle Titel sind lesenswert, sonst hätten wir das nicht gemacht. Mehr dazu gibt es unter www.schoenebuecher.net/bibliothek

Buchpremiere

Ankündigung für die Buchpremiere des Romans "Wie ich lernte, den Fluss zu lieben" von Laura Vinogradova

23. September 2023, 19:00 Uhr

Haus am Dom, Domplatz 3, Frankfurt am Main.

Buchpremiere: „Wie ich lernte, den Fluss zu lieben“, ausgezeichnet mit dem Europäischen Literaturpreis 2021. Autorin Laura Vinogradova stellt ihr eben auf Deutsch erschienenes Buch im Gespräch mit Verleger Jens Korch (Paperento Verlag) vor.

Eine Veranstaltung der Plattform Latvian Literature, der Lettischen Gesellschaft in Frankfurt e.V. und des Honorarkonsulats.

Begrüßung: Rüdiger von Rosen, Honorarkonsul der Republik Lettland.
Moderation: Bettina Bergmann
Dauer: 90 Minuten
Sprache: Deutsch

Eintritt frei. Ein Büchertisch ist eingerichtet.